Um was geht es?
Teaching Machines, was sich auf deutsch übersetzen lässt als „Lehrmaschinen“ klingen heute seltsam antiquiert (siehe das Bild unten) und ohne Bezug zu aktuellen Diskussionen in der Bildung (man denke nur an die Debatten zu generativer KI). Tatsächlich wurden mit den bildungstechnologischen Initiativen in den 1960er- und 1970-er Jahren Grundlagen gelegt, die heute noch wirksam sind. Darum ist der Blick zurück in die Geschichte des technologisch-unterstützen Lehrens und Lernens wichtig, um die Diskussionen um Bildungstechnologie wie die Künstliche Intelligenz und die Auswirkungen auf die Bildung einordnen zu können. Auch wenn sich über die Jahre sehr vieles im Bereich der Bildungstechnologien geändert hat, die Argumente, die für oder gegen den Einsatz der Technologien in Schule und Hochschule vorgebracht werden, haben sich wenig verändert.
Teaching Machines zeigen auf, welche Rolle Technologien in der Bildung spielen können und welche Akteur/innen Einfluss auf die Vorstellungen haben, die wir uns von „moderner Bildung“ machen. Dazu gehört insbesondere der Wunsch nach Flexibilisierung und Individualisierung, was wichtige Werte für kapitalistische Gesellschaften wie in den USA waren und sind. Mit Teaching Machines lassen sich Kosten für Lehrpersonal senken, da sie skalieren und beliebig viele Lernende betreuen können. Dadurch soll das Bildungssystem effektiver und produktiver werden. Teaching Machines stehen aber auch für die Idee, dass man mit Bildungstechnologien Geld verdienen kann. Das ist heute auch noch sehr aktuell und durch die Digitalisierung steigen die Möglichkeiten weiter, da z.B. anfallende Daten aus den Lernprozessen für die Unternehmen zu einem wichtigen Instrument für die Gestaltung von adaptiven Teaching Machines werden. Hierbei spielt KI eine große Rolle, da sie innerhalb der Masse an Daten Muster erkennen können, die zu Empfehlungen für die nächsten Lernschritte verwendet werden (ähnlich wie die Empfehlungen auf Internet-Plattform wie Amazon oder Netflix).
Der Blick zurück auf das Erbe der Teaching Machines ermöglicht uns, die Zusammenhänge aus technologischen Versprechen („Lehrmaschinen machen den Unterricht besser“), gesellschaftlichen Erwartungen („Schulen und Hochschulen sollten digitaler werden“) und pädagogischen Reaktionen (z.B. Digitalpakt Schule) besser zu verstehen. Auch in späteren Zeiten gab es mit der Einführung neuer Technologien („E-Learning“, Web 2.0, Künstliche Intelligenz) ähnliche Muster und erstaunlicherweise setzten sich diese auch dann fort, wenn sich die Versprechen nicht realisierten.
Für die Grundlagen zu den Teaching Machines greifen wir im Seminar auf das gleichnamige Buch von Audrey Watters zurück:
A. Watters, Teaching machines. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press, 2021.
(Es ist nicht notwendig, das Buch insgesamt zu lesen. Ich stelle im Seminar die wichtigsten Passagen aus der Einleitung vor.)
Wie Watters Teaching Machines versteht, stellt sie auf Seite 9 vor:
“Aber Teaching Machines ist nicht nur eine Geschichte über Maschinen. Es ist eine Geschichte über Menschen, Politik, Systeme, Märkte und Kultur. Es ist die Geschichte der Bildungstechnologen, Bildungspsychologen, Bildungsverleger und Bildungsreformer des zwanzigsten Jahrhunderts, die Maschinen bauten und verkauften (oder zumindest versuchten, sie zu bauen und zu verkaufen), von denen sie behaupteten, sie könnten den Selbstunterricht automatisieren und ein personalisiertes oder, wie sie es gerne nannten, „individualisiertes“ Bildungssystem schaffen. Es ist eine Geschichte darüber, wie das Bildungswesen zu einer Technokratie wurde, und es ist eine Geschichte darüber, wie die Bildungstechnologie zum großen Geschäft wurde. Es ist eine Geschichte darüber, wie die Wissenschaft des Lehrens und Lernens sowie unsere Vorstellungen vom Lehren und Lernen verändert wurden.” (S. 9)
Diese Perspektive bietet eine Grundlage für die Analyse vergangener und aktueller Fälle, in denen mit Bildungstechnologien versucht wird, die Bildung zu verbessern. Anhand von Beispielen aus der Geschichte der Bildungstechnologien soll die Anwendung und Erprobung diskutiert werden. Als Material dienen historische Zeitungsartikel sowie Erfahrungen der Seminarteilnehmer/innen.
Das Seminar besteht aus Selbstlernphasen und zwei Online-Präsenzterminen. Zu Beginn erfolgt eine Einführung in die Grundlagen und die oben genannte Analyse-Perspektive wird vorgestellt. Dazu wird begleitendes Material (Texte, Präsentation und Audio-Kommentar) zur Verfügung gestellt.
Im zweiten Schritt werden die Grundlagen im Kontext historischer Beispielen praktisch erprobt. Dazu bekommen Sie Zeitungsartikel zur Verfügung, die anhand der eingangs vermittelten Perspektive kritisch analysiert werden. Es geht also darum, bestimmte Muster zu erkennen, die prägend für die Debatten zur Rolle von Bildungstechnologien in Schule und Hochschule sind. Wenn etwa neue Technologien mit großen Versprechen zur Verbesserung des Lehrens und Lernens angekündigt werden, ist es wichtig genau hinzuschauen, von wem diese Versprechen kommen und mit welchen empirischen und theoretischen Argumenten sie begründet werden.
Im dritten und letzten Schritt soll der Blick nach vorne geworfen werden und Prognosen zu zukünftigen Debatten abgegeben werden. So soll etwa diskutiert werden, ob es im Zusammenhang mit den Entwicklungen von KI zu noch größeren Versprechen zur Reform der Bildung kommen wird.